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K­­­­reis- und Hochschulstadt Meschede

Resonanz auf den Schweigemarsch am 9. November 2025

Am 9. November 2025 schrieb Alex Gabriel Elsohn diesen Brief an Albert Frohn, Vorstandsmitglied des Bürgervereins Alte Synagoge:

Meschede – 09. November 2025

Liebe Meschederinnen und Mescheder, Schülerinnen und Schüler, Bürgerinnen und Bürger
 

Diesen 9. November war ich zu Gast in Meschede, nachmittags in der Alten Synagoge zum Gedenktag an die MdB Dagmar Schmidt, die vor 20 Jahren gestorben ist. Vor Ort übernachtend bot sich mir die Gelegenheit, am Schweigemarsch in Gedenken an 1938 und die verheerenden Folgen des Nazi-Regimes insgesamt teilzunehmen.
Ich vermute, und Sie konnten das nicht wissen, wohl der einzige jüdische Mensch an diesem Schweigemarsch gewesen zu sein, in dieser beachtlichen Gruppe die sich versammelte und besann. Und als solcher möchte ich meinen Dank und meinen Respekt übermitteln.
Sie alle haben mir gut getan. Es ist kein Geheimnis, dass sich in diesen Zeiten, viele jüdische Menschen in Deutschland (und auch anderswo) nicht mehr wirklich sicher fühlen. Nicht nur Juden, auch wie richtig im Rahmen des Abends mit erfasst, auch Angehörige anderer Minderheiten oder Herkunft.
Diese Unsicherheit beruht auf Taten und Agitation bestimmter Kreise und Gruppen, manchmal auch Einzelner. Medial erringen leider Aggression, Diffamierung, Gewalt und Hetze viel Aufmerksamkeit. Das ist richtig, um das Augenmerk darauf zu richten und uns bewusst zu machen, dass es diese Ausrichtungen von Hass und Rassismus eben gibt. Andererseits kommt dadurch zu wenig zur Geltung, was Sie alle bezeugt und gezeigt haben: die große Mehrheit derjenigen, die keine Ausgrenzungen akzeptieren, die Respekt haben vor anderen und miteinander, die sich der demokratischen Grundwerte in Bezug auf die Existenz- und Gleichberechtigung nicht nur bewusst sind, sondern auch bereit dafür einzutreten.
Und mir, als jüdischem Menschen im heutigen Deutschland, war genau dieses von Ihnen Allen vermittelte Gefühl des Aufgenommen- und Aufgehobenseins eine wichtige Botschaft. Es war das öffentliche Zeigen, was in meinem Bewusstsein eigentlich auch besteht: dass die große Mehrheit die Garanten sind für Minderheiten und für Gleichberechtigungen als Teil der Gesellschaft.
Sie mögen nun denken, dass ja nur wenige Menschen teilgenommen haben am Schweigemarsch, dass doch allein in Meschede und Umkreis soviel mehr Leute noch wären, die teilnehmen sollten. Aber seien Sie sich sicher, dass Sie inhaltlich durchaus die Unterstützung viel größerer Kreise haben als nur derjenigen die dann auch aktiv bei solchen Gelegenheiten mit dabei sind. Wir sprechen hier über die große „schweigende Masse“. Diese mag ein Problem sein, weil Schweigen auch Vorschub leisten kann für unerwünschte Strömungen. Aber umgekehrt sollte man sich immer bewusst sein, dass auch Schweigende für sich dann wissen, dass sie nicht alleine sind mit ihrem eigentlich offenen, liberalen und libertären Denken und Fühlen, auch wenn sie nicht befähigt sind dies so öffentlich zu demonstrieren, wie Sie es als Teilnehmende am Schweigemarsch getan haben.
Ihre Aktivitäten, Ihr Schweigemarsch zum 9. November setzt Zeichen auch für diejenigen, die nicht teilgenommen haben. Sie machen klar, dass es eben auch Ihre Version, Ihre Wertewelt der Offenheit und des umfassenden Demokratieverständnisses gibt, dass diejenigen die zuhause in ihren vier Wänden damit nicht alleine sind.

Dagmar Schmidt, zu derer Gedenken ich nach Meschede kam, war höchst aktiv in Unterstützung und Förderung interkultureller Aktivitäten, Friedensinitiativen und der Gleichberechtigung in sozialer, geschlechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Insbesondere dem Nahen Osten, der israelisch-palästinensischen, jüdisch-arabischen Koexistenz und Friedensarbeit widmete sie ihr Augenmerk.
Sie tat dies stets aktiv, mit effektivem Handeln und Taten und immer mit Bezug auf den Kern der Sache: die Menschen, der Mensch. Und all dies auch mit besonderem Bezug auf Jugendliche und Heranwachsende. Auf Ihren Namen wurde die Dagmar-Schmidt-Stiftung gegründet, die sich um den Trialog deutscher, jüdisch-israelischer und arabischer Jugendlicher fokussiert.
Für mich als Jude war dieser Abend in Meschede gerade dahingehend eine große Freude, weil er aktiv von den Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher Schulen gestaltet und getragen wurde. Und weil auch bei den Teilnehmenden zahlreich jüngere Leute und sogar Kinder mit bei waren. Es bezeugt, dass auch in die Zukunft hinein, die Werte eines friedlichen und respektvollen Zusammenlebens getragen wird. Und das ist nicht nur ein Umstand, sondern eine Botschaft, die wir mit uns tragen sollen. Auch in Zukunft ein kräftiges JA zum Schutz von Minderheiten in unserer Gesellschaft, zur Demokratie, für Menschenrechte.
Und all dies ist ein Grund für mich als jüdischer Mensch eben Deutschland nicht zu verlassen, sondern Teil Ihrer Gesellschaft hier zu sein und zu bleiben. Für diesen außerordentlich leuchtenden Abend in Meschede danke ich Ihnen allen und wünsche Ihnen auch weiterhin viel Kraft und Mut für diese Werte einzustehen.

Mit Grüßen,

Alex Gabriel Elsohn
Berlin