Der westfälische Fichtenwald stirbt. Der Fichtenwald im Sauerland ist auf immer größer werdenden Flächen tot. Die Trockenheit der letzten Jahre und der Borkenkäfer und die Stürme haben dem Flachwurzler den Garaus gemacht. Über weite Flächen, die vormals in tiefem Tannengrün daherkamen, spannt sich ein nun ein immer dünner werdendes grau-rot-braunes Netz aus trockenen Ästen samt fallenden Nadeln. Mancherorts stehen nur noch Baumskelette.
Unsere Waldheimat verändert sich rapide – was macht das mit uns, unserer landschaftlichen Heimatverbundenheit, unserer Waldkultur und Waldsehnsucht, der wir nicht nur in Pandemiezeiten
so intensiv frönen? Jan Philip Scheibe beschäftigt sich auf Einladung der Kreis- und Hochschulstadt Meschede vom 26. August bis 4. September 2021 in Meschede und den nahe gelegenen Fichtenwäldern mit diesen Fragen. In fünf Kapiteln macht er deutlich, fragt und beantwortet mit den Mitteln der Kunst. Performativ, installativ und kommunikativ.
TERMINE
Kapitel I: „Waldbaustelle II“, Installation, Do. 26. August bis Do. 2. September 2021
in der Nähe des Wanderparkplatzes „Buchplette“ (An der Buchsplitt) in Meschede-Eversberg
Wenn der Mensch baut, ist es offensichtlich: Lärm, Staub und Bauzäune als sichtbare Zeichen des Wandels, unüberseh-, unüberhörbar. Die Natur arbeitet subtiler und dennoch effektiv – wenn man sie machen lässt. Jan Philip Scheibe macht den Umbau der Natur mit seiner „Waldbaustelle“ sichtbar. Ein Stück Wald wird durch rot-weiße Baustellen-Absperrbacken samt rot leuchtenden Warnlampen als Waldbaustelle eingerichtet, der Umbau im laufenden Waldbetrieb sichtbar.
Kapitel II: „Fichten“, Installation, Sa. 28. bis So. 29. August 2021
Bürgerzentrum Alte Synagoge Meschede
Sa. 28. August, 11.00 Uhr, Vernissage
Die Installation ist am 28. und 29. August von 15 bis 18 Uhr geöffnet.
In Bürgerzentrum Alte Synagoge wird der Stamm samt Astwerk einer abgestorbener Fichte installiert. Der Baum ist mit einer Graphitschicht versehen. Es ergibt sich eine dreidimensionale Zeichnung eines abgestorbenen Baumes.
Das Rahmenprogramm zur Vernissage mit Künstlergespräch gestalten u.a. „Die drei Juttas“ (Waldpoesie).
Kapitel III: „Wälder“, Performance, Sa. 28. August, 20.15 Uhr
Treffpunkt: Wanderparkplatz Buchplette („An der Buchsplitt) in Meschede-Eversberg
Der Künstler recherchiert einen etwa 3 km langen Rundweg durch einen sich im Absterben befindlichen, dystopisch anmutenden Fichtenwald. Diesen Weg geht er in einer prozessionshaften Performance ab. In der Hand trägt er ein blau leuchtendes Neon-Leuchtschild mit dem Wort „WÄLDER“. Des Weiteren trägt er einen Generator der das Schild mit Strom versorgt. Der Generator knattert und produziert Abgase. Er produziert C02, das den Zustand des Waldes erst hervorgerufen hat. Es soll „klimaneutrales Benzin“ verwendet werden, bei dem für jeden Liter verkauften Sprits ein Extrabetrag erhoben wird, mit dem ein Aufforstungsprogramm in Südamerika finanziert wird. Moderner Ablasshandel?
Zwischendurch verweilt der Mann mit dem Neonschild und dem Generator ein wenig, positioniert sich zwischen den Bäumen und liest aus Gedichten der Romantik, die unser Waldgefühl bis heute kulturell definieren. Er beginnt seine Wanderung zum Sonnenuntergang, geht durch die blaue Stunde, um die Performance in der Dunkelheit im fahlen blauen Neonlicht zu beenden.
Kapitel IV: Holzhacken, Performance, Fr. 3. September 2021, ab ca. 10.00 Uhr
Mescheder Wochenmarkt
Der Künstler, im grauen Anzug gekleidet schlägt im Fichten-Wald eine tote Fichte. Diesen Baum transportiert er auf der Schulter in die Stadt hinein. Auf dem Marktplatz zerteilt er die Fichte mit Handsäge und Axt zu Kleinholz. Aus dem Holz bereitet er auf einem portablen, mit Holz befeuerten Ofen einen traditionelle Sauerländer Schlodderkappes. Neben den traditionellen Zutaten enthält der Eintopf auch Ingredienzien, die im Klimawandel in westfälischen Gärten heimisch werden. Der Eintopf wird den Gästen serviert.
Kapitel V: Buchdrucker II, Sa. 4. September 2021, ab 20.30 Uhr, Stiftsplatz Meschede
Ist genug Feuchtigkeit vorhanden können Fichten durch die Bildung von Harzen Fressfeinde wie den Buchdrucker abwehren. Bei Trockenheit jedoch kann sich die Fichte nicht gegen die Fresslust des Buchdruckers erwehren. Nach den letzten sehr trockenen Jahren, in NRW die schlimmste Dürre seit 250 Jahren, sind viele geschwächte Bäume dem Angriff des Buchdruckers zum Opfer gefallen. Tief haben sie ihre Brutgänge in das Xylem gefräst und die wasserführenden Leitungsbahnen so zerstört. Der Baum vertrocknet.
Die Brutgänge des Buchdruckers an einer abgestorbenen Fichte werden digitalisiert und per Videoprojektion als Animation auf die Fassade der St. Walburga-Kirche projiziert.
RAHMENPROGRAMM
Waldrundgang mit Stadtförster Roland Wiese, Fr. 3. September, 16.00 Uhr
Treffpunkt: Matthias-Claudius-Haus in Meschede-Eversberg (Anmeldung unter Tel. 0291/205-164 oder per E-Mail an anne.wiegel@meschede.de)
Sa. 4. September, 11.00 bis 16.00 Uhr: Waldpädagogisches Mitmachangebot für Jung und Alt zum Wissensgebiet „Wald“ mit Gerlinde Schmidt, Lehrerin und Waldpädagogin und Antonius Vollmer, Förster und Waldpädagoge, vom Regionalforstamt Oberes Sauerland Wald und Holz NRW, auf dem Von-Stephan-Platz.
Waldregal in der Stadtbücherei Meschede, 25. August bis 4. September 2021
Hinweis: Bei verändertem Infektionsgeschehen besteht das Risiko einer kurzfristigen Absage der Veranstaltungen.
Das Projekt „Fichten“ ist Teil des Förderprojekts „Stadtbesetzung“ des Kultursekretariats NRW Gütersloh und wird mit Mitteln des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert.
Die Städte Arnsberg, Meschede und Bestwig haben die Initiative ergriffen, Kunst, Kultur und Natur miteinander zu verbinden. Das Sauerland über die Naturlandschaft hinaus auch als Kulturlandschaft bekannt zu machen und die kulturellen Aktivitäten weiter zu verstärken und zu vernetzen, ist das Ziel.
"Wandel durch Kultur. Kultur durch Wandel" so könnten die neuen Aktivitäten überschrieben werden. Dem entsprechend lautet das Motto "aufruhr" und findet sich im Projekt-Logo wieder. Das Land Nordrhein-Westfalen hat dieses interkommunale Kulturprojekt im Rahmen seiner regionalen Kulturförderung unterstützt. Entstanden ist in den vergangenen Jahren u.a. Kunst entlang des Ruhrtalradweges. "aufruhr" steht aber auch für Vernetzung: So veranstalten die aufruhr-Kommunen bereits seit 2012 einen gemeinsamen "Tag des Offenen Ateliers". Bei verschiedenen Gemeinschaftsausstellungen hatten Künstlerinnen und Künstler aus dem aufruhr-Raum bereits mehrfach Gelegenheit, ihre Werke gemeinsam zu präsentieren.
Seit 2017 beteiligt sich auch die Stadt Brilon am Projekt "aufruhr".
Aktuelle Infos unter >> www.aufruhr-sauerland.de
Zehn Jahre Leerstand haben an der ehemaligen Auguste-Viktoria-Knappschaftsheilstätte Spuren hinterlassen - die einstige Pracht ist verblasst, aber nicht verschwunden. Im vergangenen Jahr wurde das Gebäude im Rahmen der NRW-weiten „Stadtbesetzung“ des Kultursekretariats NRW Gütersloh von den aufruhr-Gemeinden künstlerisch wiederbelebt. Einblicke in das Gebäude gewährt der Film „Versehrt“ der „Vorzeigekind Videoproduktion“, der mit Musik von Carlo Mansfeld nun erstmals online gezeigt wird - ein Projekt gefördert vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen. Hier der Link zum Film: https://youtu.be/wvsLc97G8bI